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2. Von der Erde zur Karte

2.1 Verzerrungen

Im folgenden wird zunächst unterstellt, daß die Erde Kugelgestalt besitzt. Auch werden vorerst die meisten Kartennetzentwürfe nur für die Kugel betrachtet. Damit kann das Wesen dieser Abbildungen demonstriert werden. Die Abbildungsgleichungen für die Kugel werden ohne Beschränkung der Allgemeinheit nur für Abbildungen in normaler Lage gegeben, eine Umrechnung für eine schiefe Lage kann mit den Mitteln der sphärischen Trigonometrie erfolgen. Die Formeln für die Abbildung eines Ellipsoids sind wegen der auftretenden Reihenentwicklungen komlexer, sollen jedoch in der weiteren Arbeit an dem Vorlesungsskript nach und nach ergänzt werden.
Die Konstruktion eines Kartennetzentwurfs bedeutet nun die Definition einer Abbildung der Erdkugel in eine ebene (Bild-)Fläche mit gleichzeitiger Abbildung eines Netzes von Koodinatenlinien, die auf der Kugel gegeben sind.
Aus Sicht des Anwenders einer Karte sind folgende Eigenschaften wünschenswert:
Winkeltreue: Der Winkel zwischen zwei sich schneidenden Linien (definiert durch den Winkel zwischen den Tangenten an diese Linien in deren Schnittpunkt) bleibt bei der Abbildung erhalten. (Konformität der Abbildung)
Längentreue, Abstandstreue: Der Abstand zweier Punkte bleibt bei der Abbildung bis auf einen festen, für alle abgebildeten Gebiete der Kugel gültigen (globalen) Maßstabsfaktor m erhalten.
Flächentreue: Einander zugeordnete (differentielle) Flächenelemente in Original und Bild sind in jedem Punkt flächengleich. Abbildungen mit dieser Eigenschaft werden in der Geographie gern benutzt, da häufig die Bedeutung eines Merkmals mit seiner flächenhaften Ausdehnung einhergeht.

Diese intuitiven Begriffe müssen mit den Mitteln der Differentialgeometrie präzisiert werden. Eine mathematisch exakte Definition der Begriffe Längen-, Winkel- und Flächenverzerrung mit den Mitteln der Differentialgeometrie kann in entsprechenden Lehrbüchern nachgelesen werden.
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Verzerrungen treten auf, wenn eine der o.g. Treueforderungen verletzt wird. Abbildungen, die keine Verzerrungen hinsichtlich der Strecken, Winkel und Flächen aufweisen, werden verzerrungsfrei genannt. Wie Leonhard Euler (1707-1783) gezeigt hat, ist es ummöglich, eine Kugel verzerrungsfrei in eine Ebene abzubilden. Insbesondere existiert keine Abbildung der Kugel in eine Ebene, die abstandstreu ist. Das schließt nicht aus, daß spezielle Linien in wahrer Länge abgebildet werden, bei vielen Abbildungen besteht dann noch die Möglichkeit, diese Linien gezielt auszuwählen. Aus den Überlegungen der Differentialgeometrie folgt weiter, daß sich Winkeltreue und Flächentreue ausschließen.

Das Auftreten von Verzerrungen ist typisch für Abbildungen einer Fläche auf eine andere. Deshalb sollen folgende verzerrungsfreien Abbildungen besonders erwähnt werden:
         - Abbildung eines Kegels in eine Ebene
         - Abbildung eines Zylinders in eine Ebene
Diese Abbildungen entstehen durch Aufschneiden des Kegels / Zylinders entlang einer Mantellinie und Abwickeln der entstehenden Fläche. (Streng genommen sind diese Abbildungen verzerrungsfrei nur außer auf der genannten Mantellinie.) Die Flächen Kegel und Zylinder dienen bei der Veranschaulichung einiger Abbildungen als Hilfsfläche, auf die die Kugel projiziert wird und die dann abgewickelt wird.

2.2 Klassifizierung der Abbildungen der Kugelfläche in die Ebene

Vorgelegt sei eine Kugel mit einem azimutalen Koordinatensystem, dessen Zentrum in einem beliebigen Punkt der Kugeloberfläche liegt, und den Koordinaten (d,a). Dabei bezeichne d die Distanz vom Ursprung und a das Azimut.
Die Klassifkation von Abbildungen der Kugel in eine Ebene kann nach mehreren Kriterien vorgenommen werden:

2.2.1 Winkeltreue, flächentreue und abweitungstreue Abbildungen

Zur Klassifikation dienen Eigenschaften der Indikatrix von Tissot. Seien k1 und k2 die große bzw. die kleine Halbachse der Indikatrix. Dann gilt für
a) konforme kartographische Entwürfe: k1 = k2.
b) flächentreue kartographische Entwürfe: k1 . k2 = 1.
c) abweitungstreue kartographische Entwürfe: gewisse Koordinatenlinien d = const. oder a = const. des azimutalen Koordinatensystems werden ohne Verzerrung abgebildet.

2.2.2 Echte /unechte Abbildungen

Eine Abbildung der Kugel in eine Ebene heißt echte Abbildung, wenn dabei alle Hauptkreise a = const. in Geradenbüschel und alle Horizontalkreise d = const. in dazu orthogonale konzentrische Kreise abgebildet werden (die Gerade gilt dabei als Kreis mit "unendlich großem" Radius).
Eine Abbildung der Kugel in eine Ebene heißt unechte Abbildung, wenn sie keine echte Abbildung ist, d.h. die Orthogonalität der Koordinatenlinien verloren geht oder die Bildkurven zu anderen Kurventypen gehören.

Echte Abbildungen

Wie oben dargestellt, bildet eine echte Abbildung die Kugeloberfläche in die Ebene ab. Für das Verständnis ist es manchmal gut, sich eine geometrische Vorstellung von der Abbildung zu machen. So gibt es einmal die Abbildungen direkt in die Ebene und zum anderen Abbildungen, die anschaulich scheinbar die Hilfsflächen Zylinder oder Kegel zum Bildraum haben. Diese werden anschließ verzerrungsfrei abgewickelt. Dementsprechend wird zwischen azimutalen Abbildungen, Zylinderabbildungen und Kegelabbildungen unterschieden. Für diese Abbildungsklassen ergeben sich folgende charakteristischen formelmäßen Zusammenhänge zwischen den azimutalen Koordinaten auf der Kugel und einem geeigneten Koordinatensystem in der Bildebene bzw. folgende charakteristische Bilder der abgebildeten Koordinatennetze:
Koordinatensystem im BildraumTransformation Bild des Netzes
Azimutale AbbildungPolarkoordinaten r=r(d)Kreise a = const. als Schar konzentr. Kreise abgebildet
(r,e) e=e(a)
ZylinderabbildungKartesische Koordinaten x=x(d)Netzlinien bilden 2 orthogon. Scharen v. Geraden
(x,y) y=y(a)
KegelabbildungPolarkoordinaten r=r(d)Netzlinien bilden ebenes Polarkoordinatensystem,
(r,e) e=e(a)überdecken Fläche eines konzentrischen Kreissektors
Man entnimmt der Form der Abbildungsgleichungen, daß das orthogonale Koordinatennetz des azimutalen Systems in ein orthogonales Netz in der Bildebene abgebildet.

Das Verhältnis des zur Projektion gehörigen azimutalen Koordinatensystems (r,d) zum geographischen Koordinatensystem mit der geographischen Länge l und der geographischen Breite b liefert ein weiteres Klassifikationsmerkmal. Gegenüber dem allgemeinen Fall, der hier als schiefachsig bezeichnet wird, werden zwei Lagen ausgezeichnet, normal und transveral. Zur Beschreibung wird der Begriff des Hauptpunktes der Abbildung benötigt.
Normale Abbildung: Der Nordpol des geographischen Koordinatensystems ist Hauptpunkt. Folglich fallen Kegel- bzw. Zylinderachse mit der Nord-Süd-Achse zusammen, bzw. bildet diese die Normalenrichtung zur Projektionsebene bei der azimutalen Abbildung.
Transversal Abbildung: Der Hauptpunkt liegt auf dem Äquator des geographischen Koordinatensystems.
Schiefachsige Abbildung: Der Hauptpunkt hat eine allgemeine Lage.
Im allgemeinen kann jede Projektion in jeder Lage des Hauptpunktes ausgeführt werden. Einige Abbildungen werden jedoch bevorzugt mit einer Lage kombiniert und haben dort auch spezielle Namen:
\ Normale AbbildungTransversaleAbbildung Schiefachsige Abbildung
Azimutale Abbildung Stereographische Projektion Mittabstandstreuer azimut. Entwurf z.B: Mittabstandstreuer azimut. Entwurf
Kegelabbildungalle Kegelabb. keine prakt. Bedeutung keine prakt. Bedeutung
Zylinderabbildung Mercatorabbildung Gaußsche Abbildung ??
Gauß-Krüger-Entwurf

Beispiele

Typabweitungstreu flächentreu winkeltreu allgemein
Azimutale Abbildung Mittenabstandstr. azimut. Entw. Lambert; Flächentr. azimut. Entw. v. ... Stereogr. Projektion Gnomonische Projektion
Orthograph. Proj.
Kegelabbildung de l' Isle Albers, H.C.: Flächentreuer Kegelentwurf Weltluftfahrtkarte
fl.-tr.Kegelentwurf (Lambert ?)
fl.-tr.Kegelstumpfentwurf(Lambert ?)
Zylinderabbildung Quadratische Plattkarte Zylinderentwurf v. Lambert Gaußsche Abbildung
Recheckige Plattkarte Entw. mit 2 längentr.Parallelkreisen Gauß-Krüger-Entwurf
Cassini-Soldner-Entwurf Mercatorabbildung

Es ist anschaulich klar, daß sich die Kugelfläche in der Umgebung jener Bereiche mit möglichst geringen Verzerrungen auf die Bildfläche transformieren läßt, in denen die Bildfläche die Kugel berührt. Damit bieten sich zur Darstellung kreisförmiger Gebiete azimutale Abbildungen an, während streifenförmige Gebiete lägs eines Großkreise bzw. eines Kleinkreises die Zylinder- bzw. die Kegelabbildungen die optimale Wahl darstellen.

Unechte Abbildungen

Zwischen dem azimutalen Koordinatensystem auf der Kugel und seinem Bild besteht der allgemeine Zusammenhang
r = r(d,a), e = e(d,a). In der Praxis werden sie meist in normaler Lage verwendet, d.h. die Linien d = const. entsprechen den geographischen Breitenkreisen b = const. und a = const. den Meridianen l = const.. Die Bilder der Breitenkreise sind meist nichtkonzentrische Kreise (mit dem Grenzfall "Gerade"), die der Meridiane gekrümmte Linien. Häufig lassen sich Symmetriebeziehungen feststellen.

Die unechten Abbildungen werden vielfach nicht durch eine Projektion erzeugt, deshalb wird in solchen Fällen zur klaren Begriffsbildung das Wort Entwurf benutzt. Ebenso ist deshalb eine Klassifikation nach Zylinder- und Kegelentwürfen nicht immer passend.

In neuerer Zeit wurde eine große Zahl vermittelnder Entwürfe bekannt. Bei ihnen wurde die strenge Forderung der Flächentreue zu gunsten einer verbesserten Winkeltreue und damit Ähnlichkeit im kleinen aufgegeben. Nahezu alle diese Entwürfe wurden geschaffen, um eine spezielle Aufgabenstellung zu erfüllen, nur wenige erreichten eine allgemeine Bedeutung. Typisch für diese vermittelden Entwürfe ist die zweifache Symmetrie mit dem Äquator und einem Hauptmeridian als Symmetrieachsen. Die Pole werden auf Pollinien abgebildet. Trotz der damit erzeugten starken Verzerrungen der Polargebiete hinterlassen diese Entwürfe beim Betrachter einen "brauchbaren Eindruck".

Beispiele

NameTyp flächentreu
Stab-Werner-Entwurf Kegelentwurf ja
Bonnesche Projektion Kegelentwurf ja
Preußische Polyederprojektion Kegelentwurf
Apianus, Entwurf von ... Zylinderentwurf
Eckert, 6 Entwürfe von ... Zylinderentwurf nur Nr.2, Nr.4, Nr. 6
Mercator-Sanson-Entwurf Zylinderentwurf ja
Mollweide, Entwurf von ... Zylinderentwurf ja
Hammer's flächentreue Planisphäre ja
Winkel'scher Entwurf
Entwurf von Nicolosi
...

3. Beipiele, nach Namen sortiert


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Hinweise zur Seite an D. Sosna . 25.07.1999.