Wolf Göhring, Mail vom 24.04.2018 Ich will sowohl ein bisschen Kritik an der Kritik Wittes als auch an meinen Texten ueben. Witte schreibt: "Die IuK hat einen Großteil dieser Aufgaben übernommen." (S. 6) Ich versuche, solche dem Warenfetisch geschuldeten Formulierungen zu vermeiden, was mir auch nicht immer gelingt. Die IuK ist keine "selbstaendige, mit eigenem Leben begabte Gestalt" (Kapital I, MEW 23, s. 86) Besser: Mit Hilfe der IuK wird ein Großteil dieser Aufgaben bewaeltigt/erledigt. Witte: "Seit dem ist die Entwicklung der IuK sehr weit fortgeschritten. Die neuen Schlagwörter sind in diesem Bereich, neben anderen, Künstliche Intelligenz (KI), Big Data und Industrie 4.0. Es ist zu konstatieren, dass diese Entwicklung nicht dazugeführt hat, dass die Warenproduktion aufgehoben worden ist."(S. 13) Nicht die technische Entwicklung als solche führt zum Aufheben der Warenform, sondern wir Menschen sind es, die mit Hilfe dieser Technik die Warenform aufheben; das geht nur im Weltmassstab. 1999 hab ich vielleicht das Aufheben der Warenform etwas zu nahe liegend gesehen oder zumindest dargestellt. Die Details der weiteren Entwicklung liegen aber ganz im Trend der angerissenen Dialektik. Stell dir mal Marx und Engels an der Bushaltestelle mit einem Smartphone vor: Was hatten sie wohl getwittert? Vielleicht das: "Die Produktivkraefte und gesellschaftlichen Beziehungen - beides verschiedne Seiten der Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums - erscheinen dem Kapital nur als Mittel und sind fuer es nur Mittel, um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren. In fact sind sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen." (Grundrisse, MEW 42, s. 602) Nun etwas zu meinen Erfahrungen im Feld der IuK (Technik, praktische politische Oekonomie (DV-Förderprogramme des Bundes u.v.m.) Ideologie), die nicht nur den Hintergrund meiner Aufsätze bilden, sondern mich letztlich in den 1990ern getrieben haben, zu untersuchen, was da eigentlich abgeht. Die technischen Details von KI usw. im Jahre 2018 waren mir 1999 und 2007 naturgemäß unbekannt, aber die Trends und die Grundsätze sehr wohl. KI (von mir seit Jahrzehnten als Kiki verpottet, war mir 1999 nicht fremd. Ich war damals in einem Institut, dem KI auf die Fahnen geschrieben war. Die Kollegen der Arbeitsgruppe bastelten Fußball spielende Roboter, und liessen mich unbehelligt den Marx in einer Nische kultivieren. Dafuer bin ich ihnen immer zu Dank verpflichtet. Ansonsten hatte ich 1964 bereits eine Mathe-Diplomarbeit zu KI geschrieben: Vergleich von Lernprozessen. (Saarbrücken) Und 1982 eine Kritik an der KI veröffentlicht: Vom Wesen und Unwesen der Computer. In: WechselWirkung, Nov.1982, 38-41 (https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=wsw-001:1982:4::237 (ETH Zuerich)). Mathematische Grundlagen zu den Neuro-Netzen finden sich in: Coates: Threshold Logic, ca. 1967. Darin auch Konvergenzbetrachtungen, wenn man ein Neuro-Netz auf eine bestimmte Boolesche Funktion trimmen, sprich "einlernen" will. Die Probleme mit der IuK waren mir nicht fremd: 15 Jahre meist freigestelltes Mitglied im Betriebsrat der für die IuK zuständigen Forschungseinrichtung GMD. Dabei entscheidend daran mitgewirkt, dass die erste große ISDN-Telefonnebenstellenanlage von Siemens, die in der BRD aufgestellt wurde, durch Gerichtsvollzieher wieder vom Netz genommen wurde, weil die Betriebsvereinbarung fehlte. Wir hatten die Abhörproblematik (Trojaner u.a.) thematisiert und konnten uns sicher sein, dass die Abhörsoftware in der Maschine drin ist, denn softwaregleiche Anlagen sollten bei Kohls Reise nach Peking verhökert werden, eine Gegend, wo gerne abgehört wird. (3 Publikationen dazu, darunter 1 in Informatik Forum, März 1992, Wien) Dass man das Telefon als Stechuhr verwenden kann, hab ich 1973/74 in einem Plausch (Pause einer Normenausschusssitzung zu Datenübertragungsprotokollen) zwischen einem Xerox'er und IBMer erfahren. Der Xeroxer bedauerte, dass der Betriebsrat die schönen Namenskärtchen aus dem Verkehr gezogen hatte. Mit denen meldete man seine Anwesenheit am Telefon an, beim Weggehen zog man's raus und beim Betreten des Klos öffnete man damit die Tür und signalisierte dem Lohncomputer, wie lange man solchem Privatgeschäft nachging. Zwischen 1976 und 1981 habe ich mehrmals als Teamer an mehrtägigen Seminaren der Gewerkschaft Ötv zur Rationalisierung mit EDV, bzw. zu Personalinformationssystemen teilgenommen. In jener Zeit beriet ich gemeinsam mit andern auch den DGB-Vorstand in Sachen Arbeitnehmer-Datenschutz und computerlesbarem Personalausweis. 1986 in "druck und papier" heft 9 (30-32): "post und industrie bauen telefongeheimnis ab". Big Data, wenn auch in kleinerem Massstab, war mir seit etwa Mitte der 1970er bekannt. Ich fand kürzlich beim Wühlen einen Brief von 1978 an einen Bekannten beim IGM-Hauptvorstand (keine Antwort). Darin beschrieb ich ein Projekt bei der GMD, in dem die demografische Entwicklung der Renten hochgerechnet wurde. Der IGM empfahl ich zu verlangen, dass Rechenmethoden und die Software offengelegt und erläutert werden. Bei der GMD wurden weitere solche Projekte (im Auftrag des Bundes) betrieben: Die Mobil-Studie über die Entwicklung der Alterszusammensetzung der Beschäftigten in den Großforschungseinrichtungen, je nachdem wie exzessiv Zeitverträge vergeben werden. Hat sicher zu den entsprechenden gesetzlichen Erleichterungen zum Abschluß von Zeitverträgen geführt. Außerdem BAFPLAN: Abhängigkeit der sozialen Struktur und der Anzahl der Bafög-Bezieher (und der Kosten für den Bund) je nach den Kriterien für den Bafög-Bezug. Vor ein paar Jahren wunderte sich ein Soziologie-Prof., daß fast keine Arbeiterkinder zu Akademikern aufgestiegen sind. Genau das konnte und hat man damals anhand der Bafplan-Ergebnisse gesteuert, und so hatten wir das damals in der betieblichen Ötv-gruppe diskutiert.. Fabrik 4.0 ist so neu auch nicht, war vor etwa 30 Jahren schon ein Hype und scheiterte. Gerhard Wohland referierte damals in der BRD ("Halle 40" bei VW) und der Maschinenbauer Peter Brödner schrieb sein "Fabrik 2000". (Ich hab letzteren Anfang März 2018 noch mal gehört.) "Digitalisierung" ist seit der Erfindung der Computer nichts neues, eigentlich schon seit Jaquards Lochbrettsteuerung von Webstuehlen. Mit Digitalisierung wird lediglich die Form, nicht der Inhalt beschrieben. Vor 15 Jahren noch wurden Ziel und Zweck, nämlich Informationstechnik IT oder Informations- und Kommunikationstechnik IuK oder ICT in den Vordergrund gerückt. Weiterhin Witte: "Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, welches nun in Deutschland eingeführt wurde, zeigt ambivalentes. Auf der einen Seite verweist es auf eine Art der Kommunikation, die Göhrings Zielvorstellungen vehement widerspricht. Neben produktiven Austausch ist von dort eine starke Hetze gegen Andersdenkende zu vernehmen." (s. 19) Ich hatte Marx zitiert "Nach einer langen und qualvollen Entwicklung". Was Witte anführt, sind einige dieser Qualen. Ansonsten zielt dieses Gesetz eher auf das "Gelaber" im Netz und nicht auf die Kommunikation, um stoffliche Produktion und gesellschaftliche Institutionen zu organisieren. In der Auto-Branche wurden z.B. Standards entwickelt, um die technischen Spezifikationen von Einzelteilen zweifelsfrei übers Netz versenden zu können. In einem Land wie Kenia ist Mobilfunk eine wichtiges Element, um Krankenversorgung auf dem Lande zu bewerkstelligen. (s.a. mein Aufsatz: "Mit Persberg Prize gegen Digital Divide. Informationstechnik in der 3. Welt: Stand und Perspektiven.", FIfF Kommunikation Ende 2004/Anfang 2005) Mittlerweile kenne ich durch meine philippinische Frau auch, wie sehr smart-phones, facebook und co. in der 3. Welt genutzt werden. Nochmal Witte: "In dem Akt des Bewusstwerdens scheinen noch viele offene Fragen zu liegen, deren Untersuchung sich nicht nur lohnen würde, sondern angesichts der Relevanz der Themas geboten ist." (s. 19) Dem stimme ich ganz und gar zu! Wir sollten uns in der Produktion umsehen. Ein Beipiel: Das Web ist typischerweise am CERN in Genf erfunden worden, und zwar von vorneherein zur weltweiten Organisierung der Projekte, die an der einmaligen Anlage des CERN gefahren werden. Da werden absolute High-Tech-Produkte entworfen und von Spezialfirmen rund um den Globus arbeitsteilig gebaut und im CERN teilweise zu hunderte Tonnen schweren Aggregaten montiert. Das Worldwide Web mit HTML wurde entwickelt, um diese Kommunikation führen zu können. (Besichtigung im CERN im Herbst 2004 am Rande der Enviroinfo 2004) Über den Akt des Bewußtwerdens konnte ich in meiner Nische in der Arbeitsgruppe im Institut zwar nachdenken, aber nichts schreiben. Ich meine, dass den Beschäftigten ("Proletariern") die entscheidende Rolle zukommt: Sie sind es, die die beschriebene Organisationsarbeit leisten und konkret die Dinge produzieren. Sie treten jeweils längs ihrer Tätigkeitsfelder mit andern Proletariern in der eigenen und in anderen Firmen in Kontakt. (siehe hierzu meine Skizze zum Kaffee: Vom Strauch zum Bauch) In diesem Sinne verstehe ich "Proletarier aller Länder vereinigt euch." Die Leute am CERN bilden mit den vielen andern, mit denen sie die Projekte organisieren und die Apparate produzieren, ein allererstes rohes Modell einer solchen neuen Welt. Nicht die Vereinigung nach Feierabend in irgendwelchen außerhalb der Produktion stehenden Clubs, sondern innnerhalb der Produktion, denn deren Unabhängigkeit und Privatheit gilt es aufzuheben. (Ich hab das ganz knapp in 2 publizierten Leserbriefen an die Frankfurter Rundschau angerissen, die unten nach den ************ folgen.) Dazu nochmals obiges Marx-Zitat: "Die Produktivkraefte und gesellschaftlichen Beziehungen - beides verschiedne Seiten der Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums - erscheinen dem Kapital nur als Mittel und sind fuer es nur Mittel, um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren. In fact sind sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen." Ich ändere das Zitat um eine Nuance: "Um die Borniertheit der Grundlagen in die Luft zu sprengen". Daran wird sichtbar, worum es geht. Die Borniertheit liegt in den Eigentumsgrenzen, die die Privatarbeit um sich herum zieht. Ganz neu zeigt sich das in einer vorgesehenen EU-Richtlinie, in der die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen auf eine Stufe mit der Verletzung von Patentrechten gestellt werden soll. Mittels der IuK wird es (fast) ein Klick, um Daten über die Eigentumsgrenzen hinweg jedermann zur Verfügung zu stellen, um sie einer weltweiten Diskussion/Verwendung zuzuführen. Die naheliegendsten Organisationen, die hierbei behilflich sein können, sind die Gewerkschaften, und zwar nicht nur national. Auch Weltsozialforen. Auch die KPen, denn diese haben zumindest den internationalistischen und systemsprengenden (huch!) Anspruch. Dass manche aus meiner Sicht auf einem merkwürdigen Trip sind (z.B. die philippinische CCP; dazu kann ich dir meinen Aufsatz "Herzschuss" schicken), darf nicht abschrecken. Zu den Gewerkschaften bemerkt Marx in "Lohn, Preis, Profit": "Sie (die Gewerkschaften, W.G.) verfehlen ihren Zweck gaenzlich, sobald sie sich darauf beschraenken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu fuehren, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu aendern, statt ihre organisierten Kraefte zu gebrauchen als einen Hebel zur schliesslichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgueltigen Abschaffung des Lohnsystems." Die Bewußtseinsänderung ist mühsam, wie die Nichtveröffentlichung des folgenden an die UZ gerichteten Leserbriefs zeigt: "Leserbrief zu Der Stahlkrieg (Klaus Wagener), Stahl hat Zukunft (Frank Schuhmacher), beides UZ vom 28.4.2017. Die Statistiken zur globalen Stahlkrise zeigen: Verbrauch geringer als Produktion. Es könnte mehr Stahl verbraucht werden, wenn damit das produziert würde, was man letztlich bräuchte. Vor Ort wüßte man, was das wäre. Doch die Bourgeois lassen - nicht nur in der Stahlbranche - Millionen Proletarier nicht an die Arbeit und Millionen andere schicken sie an die falsche. Eigentlich ein Fall für "Proletarier aller Länder vereinigt euch". Das Proletariat hat weltumspannende "Kommunkationen" (Marx) gebaut und nutzt sie - auf Kommando und Rechnung der Bourgeoisie. Es könnte das auf eigene Entscheidung hin und auf eigene Rechnung tun. Es könnte die Daten über Produktionsmittel, Produktion, Distribution und Konsumtion, über den Verbrauch natürlicher Resourcen, die Verwüstungen auf der Erde und vieles andere sowie die voraussichtliche Entwicklung in eine weltweit öffentliche Daten-Cloud stecken und mit Verfahren des Big-Data öffentlich planen, was im Einzelnen zu tun wäre. Solcherart würden die Proletarier die Produktivkräfte unserer Tage nutzen und auf den individuellen Austausch, auf die Warenform der Produkte verzichten (Marx). Das ginge heute nicht nur in der EU und den USA, sondern ebenso in Afrika, Asien, ganz Amerika und ganz Europa. Sich solcherart zu einer weltumspannenden politischen Klasse zu erheben, will geübt sein. Selbstredend müssten die Proletarier etwas kleiner anfangen. Vielleicht Facebook, Twitter und andere globale Netze zur ersten Diskussion dieser Angelegenheit nutzen; zum Beispiel eine News-Gruppe der Beschäftigten der weltweiten Stahlbranche. Dort könnten die genannten UZ-Texte stehen. Vielleicht würde man auch an der einstigen sozialistischen Planungssoftware anknüpfen und weitere Planungs-Apps entwickeln. Der Bourgeoisie in einer "langwierigen und rauhen Entwicklung" (Marx) abtrotzen, dass die erwähnten Daten öffentlich werden. Der Kampf, dass Daten, Planung und Entscheidung in die Hände der weltweit vereinigten Proletarier kommen, dass die Bourgeois rein gar nichts mehr zu sagen haben, muß kollektiv geführt werden. Nicht nur Einzelgänger, die etwas bei Wikileaks posten. Jede Krise, ob Stahlkrise oder eine andere, bietet Belegschaften, Gewerkschaften, kommunistischen Parteien Anlaß, Spielräume in dieser Richtung zu erkämpfen, 'nicht nur einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems führen', sondern für 'die endgültige Abschaffung des Lohnsystems' (Marx) kämpfen. Wer nun - ein Jahrhundert nach dem Roten Oktober- meint, das würde nie etwas, der überläßt sich kleinbürgerlicher Beschaulichkeit statt die Produktivkräfte als die 'materiellen Bedingungen' zu begreifen, um die kapitalistische Produktionsweise auf der ganzen Welt 'in die Luft zu sprengen' (Marx)." (End Leserbrief an UZ) Notabene: Ich habe hier immer von Produktion geschrieben. Ohne Verrenkungen lassen sich m.E. auch Dienstleistungen, kommunale Daseinsvorsorge, Erhalt von Infrastrukturen und vieles andere in meine Argumentation einbetten. Viele Grüße Wolf Göhring Hoholzstzr. 77 53229 Bonn ********************************** Leserbrief an FR zum Dieselskandal bei VW, publ. am 8.10.2015 "Sie berichteten über einen autoritären Führungsstil bei VW. Dem läßt sich aus meiner Sicht auf einfache Art zumindest ein Stück weit abhelfen. Zugleich könnte man bei VW etwas von dem verlorenen Vertrauen wieder gewinnen. VW sollte die Software in den Steuerungen der dirty-Diesel als freie Software veröffentlichen und für die Weiterentwicklung freigeben. Zur Bedeutung freier Software zitiere ich: "Freie Software bedeutet, dass Nutzer die Freiheit haben, Software auszuführen, zu kopieren, zu untersuchen und anzupassen, neu zu distribuieren und dass sie sie verbessern können. Freie Software ist eine Frage der Freiheit, nicht des Preises." (http://www.gnu.org/home.de.html) Unter den Software-Leuten bei VW sollten sich genügend Personen finden, die sich mit freier Software auskennen und die nötigen technischen Rahmenbedingungen festlegen können, damit eine in die Motorregelung aufgespielte und allgemein für gut befundene Software nicht mutwillig verändert werden kann. VW würde mit einem solchen Schritt der Weltöffentlichkeit signalisieren, dass man nichts zu verbergen hat. Andere Hersteller von Autos müßten dieses Spiel letztendlich mitspielen. Die Debatte um die Qualität von Verbrennungsmotoren käme aus den abgeschotteten Zirkeln der Entwicklungsabteilungen in eine größere Öffentlichkeit. Die IG-Metall und das Land Niedersachsen könnten und sollten ihren Einfluß nutzen, um VW zu einem solchen Schritt zu bewegen." (End Leserbrief an FR) +++++++++++++++++++ Leserbrief an FR, publ. 27.9.2017 Sehr geehrte Damen und Herren! Schön, dass Sie Marx loben. Schade, dass Sie seinen bissigen Schluss verschweigen: Die Warenform der Produkte, der Austausch von Produkten und das dadurch notwendige Geld erlauben keinen Sozialismus. O-Ton: "Hiernach beurteile man die Pfiffigkeit des kleinbürgerlichen Sozialismus, der die Warenproduktion verewigen und zugleich den 'Gegensatz von Geld und Ware', also das Geld selbst, denn es ist nur in diesem Gegensatze, abschaffen will", (Kapital I, MEW 23, S. 102, Fußnote). Diesen Schluss zieht Marx, nachdem er im "Kapital" fünfzig Seiten lang die "Elementarform des Reichtums von Gesellschaften kapitalistischer Produktionsweise", nämlich die Ware untersucht hat. Er schreibt: "Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten sind." (ibid. S.87) Wenn man's nicht mehr kapitalistisch haben will, muss man diese Unabhängigkeit der in Privatarbeiten getrennten Produktion so weit überwinden, dass der Austausch überflüssig wird. Die Menschheit hat begonnen, sich das dazu nötige Werkzeug zu schaffen: die Informations- und Kommunikationstechnik, vulgo Internet, vulgo Digitalisierung. Kurz: Vernetzung von Allen und Allem. Die juristischen Schranken, die die "Privat"arbeiten umgeben, werden weggefegt, wenn sich die "Proletarier aller Länder" dieser Möglichkeiten bewußt werden und sich - modern gesprochen - vernetzen. Nichts und niemand spricht dagegen außer protzig grantelnden Bossen und drohenden Ideologen. Die Beschäftigten können weltweit über Betriebs-, Unternehmens-, Konzern-, Länder- und Sprachgrenzen hinweg und ohne Betriebsgeheimnisse zu wahren freie Diskussionsgruppen bilden, in denen sie die gesellschaftliche Produktion und Reproduktion zusammen binden, ohne auf den Austausch fertiger Produkte zurückgreifen zu müssen. Das wären Fabrik und Office 5.0 oder gar 6.0. Geht nicht? Aber ja doch. Anfangen! Über die Einzelheiten, wie wir Menschen eine derart selbstbewußt gestaltete Welt gewinnen können, ist noch eine Weile zu grübeln. Mit freundlichen Grüßen (End Leserbrief an FR) ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++