Graduiertenkolleg Wissensrepräsentation

an der Universität Leipzig


Erklärung und Kohärenz (Bartelborth)

Wissensverarbeitende Systeme müssen ihre Entscheidungen und Vorschläge hinreichend begründen und erklären können. In diesem Schwerpunkt wird das Thema Erklärung aus philosophisch/wissenschaftstheoretischer Perspektive bearbeitet, wobei neuere Erkenntnisse zum Begriff der Kohärenz eine zentrale Rolle spielen. Das Thema Erklärung wird auch in Schwerpunkt F wieder aufgegriffen, wobei es dort konkret um Erklärungsmethoden für Therapieplanungssysteme gehen wird.

Ein inferentieller Zusammenhang von Aussagen bzw. Meinungen ist notwendig, damit unsere Meinungen ein System bilden, in dem überhaupt Begründungsbeziehungen bestehen. Wesentlich ist dabei der Kohärenzbegriff, denn es ist sowohl die systematische Kohärenz eines Aussagensystems X wie auch die relationale einer bestimmten Aussage p, die darüber bestimmen, in welchem Umfang p in X begründet werden kann.

Es soll im Graduiertenkolleg ein Kalkül zur Bestimmung der Kohärenz eines Aussagensystems X entworfen werden, der anzugeben gestattet, welches von zwei Systemen kohärenter ist. Dieser Kalkül kann dann angeben, welche von zwei oder mehr konkurrierenden Aussagen besser in X eingebettet werden kann und damit besser durch X begründet ist. Gedacht ist dabei etwa an wissenschaftliche Hypothesen, für die zu klären ist, welche besser zu den Daten paßt, oder an hypothetische Annahmen unseres Alltags, für die wir Alternativhypothesen erwägen. Da Kohärenz wesentlich durch Erklärungsbeziehungen gestiftet wird, soll insbesondere die Stärke von Erklärungen in einem implementierbaren Kalkül präzisiert werden.

Komplizierte Wissenssysteme finden sich etwa als wissenschaftliche Theorien in den Wissenschaften selbst. Sie zeigen vorbildhaft, wie sich Informationen in strukturierter Form komprimiert darstellen lassen, müssen allerdings zunächst logisch rekonstruiert werden. Ein wissenschaftstheoretisches Programm, das sich dieser Aufgabe verschrieben hat, ist die sogenannte strukturalistische Wissenschaftsauffassung. In ihrem Rahmen haben Wissenschaftstheoretiker Theorien aus unterschiedlichen Disziplinen mit dem Ziel rekonstruiert, die innere Struktur von Theorien und ihre Zusammenhänge zu anderen Theorien und relevanten experimentellen Resultaten zu ermitteln.

Dabei ergab sich, daß der Begriff "Theorie" mehrdeutig ist und recht unterschiedlich große Einheiten unseres Wissens bezeichnet. Für die mittelgroßen Einheiten, die wir häufig als Theorien ansprechen, findet sich eine komplexe hierarchische Struktur. Zunächst besteht die Theorie aus Teiltheorien (den Theorie-Elementen), die in Form eines baumartigen Netzes (dem Theorien-Netz) angeordnet sind. Vom Basis-Theorie-Element zu den darunterliegenden Theorie-Elementen besteht jeweils eine Spezialisierungsbeziehung.

Diese detaillierteren Einblicke können nun dazu dienen, die oben geschilderten Untersuchungen präziser durchzuführen. Bislang wurden die Untersuchungen zur Kohärenz von Erkenntnistheoretikern durchgeführt, die zur (wissenschaftlichen) Erklärung von Wissenschaftstheoretikern und die zur strukturalistischen Wissenschaftsauffassung von anderen Wissenschaftstheoretikern. Außer den entsprechenden Bemühungen des Antragstellers gab es kaum Ansätze, die Ergebnisse dieser drei Bereiche zusammenzubringen. Immerhin hat Paul Thagard aber schon ein Programm zur Ermittlung von Erklärungskohärenz namens ECHO vorgestellt, das in seinen Anwendungen auch Erfolge vorweisen kann, aber auch noch deutliche Schwächen aufweist.

Mögliche Dissertationsthemen:

Entwicklung eines Kalküls zur Bestimmung von Erklärungskohärenz

Implementation des Schlusses auf die beste Erklärung

 


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