Fakultät für Mathematik und Informatik Universität Leipzig
Institut für Informatik UNIVERSITÄT LEIPZIG
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Sächsische Zeitung

23.08.2000

Informatik-Fakultäten werden überrannt

Von Konrad Kästner

Hunderte zusätzliche Bewerber drängen an die sächsischen Hochschulen

Während die Fachhochschulen ein Numerus clausus schützt, rätseln die Universitäten noch, wie sie die anrückenden Studentenmassen unterrichten. Die Zahl der Bewerber hat sich fast überall verdoppelt.
    Die heißen Debatten zum Fachkräftemangel im IT-Bereich haben einen Sog zum Informatik-Studium erzeugt, den die Hochschulen kaum in den Griff bekommen. Auf den dramatischen Anstieg der Bewerberzahlen sind die Fakultäten vielerorts nicht vorbereitet. Gibt es dann keine Zulassungsbeschränkung wie einen Numerus Clausus (NC), sind Schwierigkeiten bei Lehrpersonal, Raumkapazität und technischer Ausstattung im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert. An der TU Dresden sind die Wachstumszahlen im Informatik-Bereich besonders herausragend. Allerdings gab es hier im Vorfeld schon ein Projekt, mit dem sich die Universität auf die Massen einstellte. Die Bewerberzahlen kletterten im Vergleich zum Vorjahr auf über 200 Prozent. Da diese Studiengänge ohne NC-Begrenzung laufen, müssen Lösungen für voraussichtlich über 1 000 Anfänger gefunden werden. Bisher studieren rund 1 000 Studenten Informatik in Dresden.

Zusätzliche Computer und Fachleute nötig

Eine Million Mark investiert derzeit die TU in 200 neue Computerarbeitsplätze und stellt Mittel für zusätzliche Tutoren zur Verfügung. Bund und Land sollen fünf weitere Mitarbeiter finanzieren. Das reicht noch nicht. Professor Alexander Schill, Dekan der Informatik-Fakultät, fordert weitere Mitarbeiter. Nur dann wäre eine angemessene Betreuung der Studenten auch in den Folgejahren möglich. Zusätzliche Landes-Gelder sind für Dekan Schill deshalb eine Notwendigkeit. Bei Anfängerzahlen von über 1 000 und unveränderter Ausstattung "muss nächstes Jahr ein NC eingeführt werden", konstatiert Schill. Dass das bei steigendem Bedarf ein fragwürdiges politisches Zeichen wäre, liegt für ihn auf der Hand. Genau so sieht das die Universität Leipzig. "Zulassungsbeschränkungen bei der Informatik halten wir für ein falsches Signal", sagt Prof. Dietmar Saupe, Informatik-Prodekan. Um den erwarteten Zuwachs an Studienanfängern zu bewältigen, wollen die Leipziger vorhandene Ressourcen "bündeln". Im Klartext heißt das: Ein Mitarbeiter wird in die Informatik versetzt, eine weitere Stelle befristet eingerichtet. - Für wahrscheinlich ein paar hundert zusätzliche Studenten. Zwar hat die Universitätsleitung Gelder für studentische Hilfskräfte bewilligt. Doch gibt es nur wenige fortgeschrittene Studenten, die in der Lage sind, Lehrfunktionen zu übernehmen. Die Fakultät besteht erst seit 1993, und ältere Semester bilden eine Minderheit. Auch bei Fachliteratur und PC-Arbeitsplätzen besteht Nachholebedarf, sagt Saupe. "Aber es wird ein neuer Pool mit 40 Computern eingerichtet" - allerdings noch nicht bis zum Semesterbeginn. Um dem Bedarf der Wirtschaft und den Interessen der Studenten künftig besser gerecht zu werden, befürwortet Saupe die Einführung neuer Studiengänge mit kürzeren Studienzeiten. "Ein Bachelor-Informatiker ist nach dreieinhalb Jahren fertig und hat auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen", erklärt er. So wie in Leipzig rechnet auch die TU Chemnitz mit einer Verdopplung der Studentenzahlen in den Informatik-Fächern. Prodekan Prof. Guido Brunnett berichtet über einen neuen PC-Pool, von vier zusätzlichen Mitarbeitern und weiteren beantragten Stellen. Da für die Zukunft ebenso mit hohen Studentenzahlen zu rechnen ist, "wird es aus unserer Sicht nötig sein, neue Professorenstellen zu schaffen", so Brunnett. Etwas entspannter gestaltet sich die Lage der Informatiker an der Bergakademie Freiberg und an der Hochschule Zittau/Görlitz. In Freiberg läuft seit einem Jahr der Bachelor-Studiengang Network Computing. Damals gab es dort 46 Anfänger. In diesem Jahr liegen die Bewerberzahlen schon bei über 100. "Auch wir müssten über eine Beschränkung nachdenken, sollte sich die Situation in den Folgejahren weiter zuspitzen", sagt Studiendekan Prof. Wolfgang Mönch.

Nur jeder fünfte Bewerber bekommt einen Platz

Die Hochschule Zittau/Görlitz hat die Informatik schon lange mit einem NC versehen. Die wachsende Interessentenschar konkurriert hier um eine festgelegte Anzahl an Studienplätzen. Von den derzeit rund 200 Bewerbern hat nur jeder fünfte Aussicht auf Erfolg. Ähnlich ist die Situation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden, wo die Bewerbungsfrist für die NC-Studiengänge schon im Juli endete. Hier kommen 315 Bewerber auf 40 Informatiker-Plätze. Im Vorjahr waren es noch 184 Interessenten.

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