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Leipziger Volkszeitung

17.08.2000

Ansturm auf die Informatik - Unis in Sachsen überlaufen

Leipzig, Dresden und Chemnitz mit Hunderten neuen Bewerbern

Von SVEN HEITKAMP

Dresden/Leipzig/Chemnitz. Die Informatik-Ausbildung in Sachsen steht vor einem Dilemma. Seit der Debatte um die Informationstechnologie und Greencards für Computerexperten erleben die Unis einen erfreulichen Bewerberansturm. Doch jetzt schlagen die Hochschulen Alarm: Die Ausbildungskapazitäten reichen nicht mehr.

Besonders stark ist der Zuwachs an der TU Dresden. Der Dekan der Informatik-Fakultät, Alexander Schill, rechnet mit bis zu 1200 neuen Kommilitonen zum bevorstehenden Wintersemester 2000/2001. Etwa 1000 junge Leute studieren dort zurzeit, bis zu 3000 könnten es bald werden. Seit Jahren verdoppele sich die Zahl der Bewerber. Doch eigentlich seien nur 490 Neueinschreibungen pro Jahr vorgesehen.

Zulassungsbeschränkungen gibt es für das Fach in Dresden nicht. Zwar stellte die TU eine Million Mark für neue Computer bereit. Auch gebe es eine mündliche Zusage der Bundesregierung, aus dem 100 Millionen Mark schweren Informatik-Sonderprogramm fünf Stellen zu finanzieren. Doch diese zusätzlichen Mittel reichten nicht aus, so Schill. Bis 2004 müssten jedes Jahr zehn bis 20 neue Mitarbeiter eingestellt werden, um die Studenten angemessen zu versorgen. "Die Industrie wird schon wegen des UMTS-Marktes weiter nach Arbeitskräften schreien", sagt Schill voraus.

Mit 750 000 neuen Jobs wird in der Branche der mobilen Internet-Übertragungstechnik gerechnet. Doch die Ausbildung stößt an ihre Grenzen. Der Hörsaal in der Dresdner Hans-Grundig-Straße reicht für das Grundstudium nicht mehr aus, die Vorlesungen ziehen auf den Campus um, sagt Prodekan Klaus Kabitzsch. Nicht ohne Stolz zeigt er Techniklabors, in denen Diplomanden aufwändige Versuche machen. Mit Spielzeugtechnik werden Produktionsprozesse aus der Industrie simuliert. Doch es mag sich noch niemand vorstellen, wie in fünf Jahren mehrere Hundert Studenten zeitgleich für ihre hochspezialisierten Abschlussarbeiten forschen sollen.

Dekan Schill möchte ohnehin aus der grau gewordenen Gewerbeschule aus Kaisers Zeiten ausziehen und mindestens 10 000 Quadratmeter neue Räume bekommen. Ein Umzug scheint dringend geboten, denn ein Besuch am Lehrstuhl für Technische Informationssysteme ist alles andere als eine Stippvisite in der Moderne: Eine graue Wellblechbaracke, vergilbte 70er-Jahre Tapeten und Wasserflecken an den Wänden, muffiger Geruch, verwitterte Fensterrahmen. "Bei Mittagshitze", sagt Prodekan Kabitzsch, "müssen die Kollegen auf der Südseite gehen."

Auch wenn die Räumlichkeiten in anderen Städten besser sind - Massenandrang herrscht dort ebenso. An der Uni Leipzig werden die Kapazitäten bereits weit überschritten, sagt Uni-Kanzler Peter Gutjahr-Löser. Rund 900 Kommilitonen studieren dort derzeit Informatik und Wirtschaftsinformatik. 525 neue Bewerbungen lagen bis gestern vor. Und die Frist endet erst Mitte September. Dem Ansturm stehen derzeit etwa zwölf Professoren gegenüber. Auf einen Numerus clausus wolle man aber verzichten. Eine solche Beschränkung passe nicht in die politische Landschaft, sagt Gutjahr-Löser. Auch Forderungen an die Staatsregierung seien angesichts der Kürzungspläne zwecklos. An der Alma mater wird daher versucht, vor allem mit Drittmitteln aus der Wirtschaft die Defizite aufzufangen. So finanziert die Telekom eine Stiftungsprofessur, auch die Versicherungswirtschaft unterstützt die Uni großzügig.

Die Informatiker der TU Chemnitz rechnen damit, dass ihre Kapazitäten von 160 Plätzen um das Dreifache überschritten werden. "Wir erwarten insgesamt etwa 500 Neueinschreibungen", sagte Dekan Peter Köchel. Zwar seien die technischen Bedingungen an der Uni und in den Wohnheimen sehr gut. Doch die Hörsäle und die Praktikumsplätze würden nun überlaufen. Dem Bedarf an Lehrpersonal versuchen die Chemnitzer indes mit einem Kunstgriff Herr zu werden. Studenten höherer Fachsemester, die über pädagogische Qualitäten verfügen, übernehmen Lehrveranstaltungen.

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